Und so war es nur logisch, dass man den Leiter des Orchideenhauses Peter Eggers für dieses Projekt auswählte. Loki Schmidt nutzte alle ihre Kontakte. Als Sponsorin hatte sie die Verlegerin Friede Springer gewinnen können. Deren Mann, der 1985 verstorbene Verlagsgründer Axel Springer, hatte enge Beziehungen zu Israel gehabt. Loki hatte sich damit neben der Finanzierung auch die publizistische Begleitung der BILD-Zeitung und des Hamburger Abendblattes gesichert. Universitätspräsident Fischer-Appelt genehmigte auf Lokis Bitte hin den bezahlten Sonderurlaub für Eggers – ein Novum, denn so etwas hatte es bislang nur für Wissenschaftler und nicht für Mitarbeiter des technischen Personals gegeben. Die Lufthansa übernahm die Frachtkosten für die Pflanzen; ihr Vorstand Heinz Ruhnau war früher Innensenator in Hamburg gewesen. Und selbst der damalige Kasseler Bürgermeister und spätere Finanzminister Hans Eichel wurde eingespannt - seine Stadtgärtnerei lieferte einen Teil der Gewächshauspflanzen.
Dann wurde es dramatisch. Als Peter Eggers mit Kisten voller Pflanzen und einem ordnungsgemäßen deutschen Pflanzenschutzzeugnis am Flughafen von Tel Aviv landete, verweigerte das zuständige israelische Pflanzenschutzamt den Pflanzen glattweg die Einreise. Es bedurfte eines persönlichen Telegramms von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt an Staatspräsident Shimon Perez, um wenigstens einen Teil des wertvollen Pflanzenmaterials zu retten. Als Nebeneffekt wurde später am Flughafen Tel Aviv eine Quarantänestation für Pflanzen aus Übersee eingerichtet, um so etwas forthin zu vermeiden. Peter Eggers blieb zwei Monate, reorganisierte das Gewächshaus und leitete die Kollegen vor Ort an. Weitere gegenseitige Besuche folgten, und mit dem damaligen Direktor Michael Avishai verbindet uns bis heute eine tiefe Freundschaft. Der erste Austausch war ein großer Erfolg.
Weitere Partnerschaften kamen hinzu. Im Herbst 1992 startete ein Fax von Nina Alexeeva aus St. Petersburg eine langjährige Zusammenarbeit. Aus Kontakten, die der Hamburger Gärtner Bernd Lohse 1992 auf einer privat finanzierten Reise nach Venezuela geknüpft hatte, entwickelte sich die Partnerschaft mit dem Universitätsgarten in Mérida. Später kamen die Botanischen Gärten in Mexico-Stadt, Göteborg und Shanghai hinzu. Auch organisatorisch begann sich der Gärtneraustausch zu festigen. Ein von Loki Schmidt im Jahre 1993 berufener Beirat legte Richtlinien für die Förderung fest. Loki Schmidt war mit großer Begeisterung dabei und ließ es sich nicht nehmen, die Partnergärten in Mérida (1993 und 1994), in St. Petersburg (1997) und Göteborg (1998) selbst zu besuchen und mit den Kollegen vor Ort zu reden. Bis Ende der 1990er Jahre wurde der Gärtneraustausch allein aus Loki und Helmut Schmidts Privatschatulle finanziert, aus Honoraren für deren Bücher oder Vorträge.Im Jahre 1999 feierte Loki Schmidt ihren 80. Geburtstag. Sie war immer noch gut drauf, aber im Beirat fragte man sich: Wie können wir diese gute Idee auch dann weiterführen, wenn uns der Motor Loki Schmidt nicht mehr wie früher zur Verfügung steht? Erste Ideen für eine Stiftung wurden diskutiert und mangels Kapital ad acta gelegt, bis im Jahre 2002 völlig unerwartet die Hamburgerin Brunhild Kühl mit Unterstützung des „Stiftungsprofi“ Frank Schneider und des Kaufmanns Heinz Holert die Stiftung Internationaler Gärtneraustausch ins Leben rief. Auf der soliden finanziellen Basis der Stiftung konnte die Förderung von Gärtnerreisen nun auch auf andere Botanische Gärten in Deutschland ausgedehnt werden.
Hier ein paar Zahlen: Von 1987 bis 2016 wurden rund 260 Reisen gefördert. Das ist eine stolze Bilanz. Hamburger Gärtnerinnen und Gärtner reisten 89mal ins Ausland, nach Hamburg kamen 91mal Gärtnerinnen und Gärtner aus 15 ausländischen Gärten. Aus anderen deutschen Gärten wurden Reisen von 50 Kolleginnen und Kollegen von uns gefördert, und 29mal besuchten ausländische Gärtnerinnen und Gärtner deutsche Botanische Gärten oder nahmen an gemeinsamen Expeditionen teil. Die Botanischen Gärten in Bonn, München, Dresden, Tübingen und Kiel haben besonders aktiv am Gärtneraustausch teilgenommen.Im Botanischen Garten Hamburg können wir auf einem kleinen Rundgang sehen, welch vielfältige Spuren der Internationale Gärtneraustausch hinterlassen hat. Beispielsweise in der Nordamerika-Abteilung, wo viele Präriepflanzen von einer Sammelreise von Volker Struß und Nils Kleissenberg im Jahre 2007 stammen. Die von Frederic Gilbert neugestaltete Appalachen-Abteilung ist vom Vorbild des Partnergartens Göteborg inspiriert und mit Pflanzen aus Sammelreisen in 2013 und 2016 bestückt. Die Altai-Trollblume Trollius altaicus stammt zusammen mit vielen anderen Pflanzen von einer Gärtneraustausch-Sammelreise, die 2000 gemeinsam mit den Gärten St. Petersburg und Göteborg unternommen wurde. Und die Bibelpflanzen- und die Mittelmeer-Abteilung haben gewaltig von den Erfahrungen profitiert, die Volker Struß auf seinen Reisen nach Jerusalem gewonnen hat. Die von Ingo Kaczmarek aufgebaute Sammlung von Wilddahlien ist Ergebnis der Partnerschaft mit Mexiko Stadt, und in den Gewächshäusern lassen sich die Spuren des Gärtneraustausches bei den Bromelien und vor allem im Kalthaus beobachten, wo Tobias Brose die Zwiebelpflanzen jetzt mit großem Erfolg auf die in Göteborg bewährte Kulturpraxis umgestellt hat.
Zwei Dinge lagen Loki Schmidt vor allem am Herzen: Die gefährdete Pflanzenwelt in ihrer Vielfalt und Schönheit zu erhalten, und junge Menschen fachlich und menschlich zu fördern. Gärtnerinnen und Gärtner sind für Botanische Gärten entscheidend wichtig. Für die Kultur von seltenen und gefährdeten Pflanzen sind Beobachtungen vor Ort und der Erfahrungsaustausch mit Kollegen unerlässlich. Aber Auslandsreisen sind teuer, Gärtner verdienen nicht viel, und im Gegensatz zu Wissenschaftlern und Studenten stehen ihnen kaum Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Hier tritt unsere Stiftung ein. Wir geben Zuschüsse für internationale Reisen und Austauschprojekte. Damit fördern wir Kooperationen zwischen Botanischen Gärten und zugleich engagierte junge Menschen.
Sie möchten mehr darüber erfahren und auch darüber, wie Sie uns dabei unterstützen können? Auf unserer Homepage www.gaertneraustausch.de können Sie dies alles nachlesen.
[DISA 02.2017, PDF, Text: Hans-Helmut Poppendieck]